Der Tag, an dem ich aus den sozialen Netzwerken ausstieg.

Der Tag, an dem ich aus den sozialen Netzwerken ausstieg.

Der Tag, an dem ich aus den sozialen Netzwerken ausstieg. 150 150 Ileana

Im Jahr 1995 kauften wir unseren ersten Computer – mit 4 MB RAM. Ja, Megabytes, nicht Gigabytes. Dann hörten wir von diesem Internet, rüsteten den Computer auf 8 MB RAM auf und starteten den Browser. Und nun?

Damals gab es weder Google – zumindest war es hierzulande noch nicht bekannt – noch Facebook, geschweige denn Smartphones. Mein erstes Handy bekam ich erst zwei Jahre später und das konnte nur Telefon sein und SMS versenden. Dafür hielt der Akku eine Woche.

Mit 15 beschloss ich dann meine erste Website auf Geocities zu veröffentlichen. Geocities war sowas wie Wix – und das vor über 20 Jahren! Dort konnte jeder eine eigene kleine Internetseite online stellen mit eigenen Inhalten, eigenem Design ohne vorgefertigtem Raster. Die Seiten waren also äußerst individuell. Gesurft hat man damals über Linklisten. Jeder, der eine Website im Netz hatte, veröffentlichte eine Linkliste mit den von ihm favorisierten Webseiten. Suchmaschinen brauchte man damals nicht, man surfte von einer Seite zur nächsten. Das Internet war damals äußerst bunt, die Seiten für damalige Verhältnisse teilweise extrem cool.

Irgendwann kam Google, dann MySpace und später Facebook. Dazwischen tauchten noch so Seiten auf wie Twitter oder Tumblr. Ich war damals überall dabei. Da machte es auch noch Spaß. MySpace war denke ich die letzte dieser Plattformen, wo man noch die Möglichkeit hatte seine Seite zumindest ein bisschen individuell zu gestalten. Mit Facebook hörte das alles komplett auf. Alles muss in ein vorgefertigtes Raster. Eigentlich schauen alle Profile – bis auf die individuellen Bilder – absolut gleichförmig aus. So soll es ja auch sein. Gleichförmige Raster, Beiträge, die auf hunderten oder tausenden Profilen aufscheinen, weil sie geteilt werden und Kategorisierungen von Menschen, um ihnen Werbung ausliefern zu können. Als Belohnung fürs Dabeisein, Mitmachen und zur Verfügung stellen von Daten gibt es – so hofft man bei jedem Beitrag, den man teilt – 👍 Likes von den Freunden.

Irgendwann kam Whatsapp dazu. Ich wehrte mich lange gegen diese App, auch weil der Name so bescheuert ist. Richtig unsympathisch eigentlich. Und ich habe nicht verstanden, warum man nicht einfach eine SMS schreiben kann. Irgendwann gab ich mich auch Whatsapp hin und erkannte den Sinn: Endlich konnte man den Schwachsinn, den man sonst nur auf Facebook teilen konnte auch gleich direkt an Freunde schicken. Im Grunde ist eh alles nur Bledsinn, was man sieht oder bekommt. Okay okay, ganz so ist es nicht. Es ist schon nett, wenn man ein kleines Video verschicken kann, ein Foto von etwas, was man gerade entdeckt hat oder Grüße aus dem Urlaub. Den großen Nachteil habe ich aber auch bald erkannt: Auch Kunden schicken Whatsapps und sehen – außer man hat es deaktiviert – ob man die Nachricht schon gelesen hat. Oft kam eine Email, dann gleich eine Whatsapp hinterher.

Und Instagram. Ich habe anfangs nicht verstanden, warum man zum Teilen von Fotos nun wieder eine eigene App braucht, wenn man Fotos ja auch schon auf Facebook teilen kann. Auch den Spaß machte ich mit, weil ich die Bearbeitungsfunktion ganz gut fand. Aber auch hier: Alle Fotos und Videos sollen das selbe Format haben nämlich quadratisch. Es gibt natürlich Wege, um das zu umgehen, aber wenn ich als simple Userin die Instagram-App benutze, dann hat alles quadratisch zu sein. Im Gegensatz zu Facebook gibt es hier ❤️ (Hearzn) als Belohnung für schöne Fotos und Daten natürlich.

Früher machte das alles noch irgendwie Sinn. Ich habe für meine damalige Firma Beet-Box Anzeigen auf Facebook geschalten, die tatsächlich etwas brachten. Wenn man heute Anzeigen schaltet bringt es nichts, außer man nimmt viel Geld in die Hand – entweder für das Werbebudget oder/und für einen Social Media Experten. Andererseits wird man zugemüllt von Werbung direkt auf Facebook oder Instagram, aber nun auch seit längerem im Messenger. Auf Whatsapp soll es nun auch bald Werbung geben (im Code wurde dies bereits vorbereitet sagt man). Nun sollen alle drei Messengerdienste von Facebook, Whatsapp und Instagram zusammengefasst werden. Die einen behaupten, das wird nichts ändern und eine plattformübergreifende Datenweitergabe kann es schon wegen der Datenschutzgrundverordnung nicht geben, die anderen nehmen diese Entwicklung zum Anlass, endlich auszusteigen. Zu der zweiten Gruppe gehöre ich. Instagram will schon seit längerem Zugriff auf mein Telefonbuch, um – so lautet der Vorwand – bestehende Kontakte auf Instagram zu finden. In Wahrheit geht es um Daten. Wenn man die Nutzer dazu bringt, die Daten aus seinem Telefonbuch freizugeben, läßt sich anscheinend die DSGVO umgehen oder die DSGVO ist Facebook einfach egal. Aber es sind ja nicht meine Daten, sondern Daten meiner Kontakte, wie Name, Telefonnummer, eventuell Adresse und Geburtsdatum. Genau kann man ja nicht sagen, welche Daten abgefragt werden. Ich finde das äußerst bedenklich.

Die Datenweitergabe von Whatsapp zu Facebook gibt es übrigens schon länger. Man gibt Whatsapp den Zugriff zum Adressbuch und plötzlich bekommt ein Kontakt von mir einen Freundschaftsvorschlag eines anderen Kontaktes von mir auf Facebook zu sehen. Scheint ja nicht so problematisch, oder? Oder doch? Problematisch wird es jedenfalls, wenn man einem Beruf nachgeht, der mit einer Schweigepflicht verknüpft ist (Ärzte, Psychologen, Psychotherapeuten, Sozialarbeiter, Bewährungshelfer etc.) und man Kontakte von Patienten, Klienten oder Straftätern im Telefonbuch abgespeichert hat. Als einzige Lösung für jene Berufsbilder kann nur sein, sich ein blankes Telefon zuzulegen, welches auf keinen Fall Whatsapp installiert hat – oder besser gleich Whatsapp deinstallieren 😏.

Und langsam wurde mir das alles zu mühsam. Ich will nicht mehr meine Daten hergeben und schon gar nicht ungefragt die Daten meiner Kontakte. Eigentlich geht es mir auch total gegen den Strich, dass meine Kontakte ja ebenso meine Daten über diese Dienste laufen lassen. Und wo ist da der Datenschutz? Man weiß es nicht.

Zum Glück gibt es Alternativen. Man muss nicht einem großen Konzern sein Leben offenbaren, man kann auch auf kleine privatfinanzierte Apps zurückgreifen, wo sich auch schon eine Menge meiner Kontakte befinden. Signal und Telegram sind gute Alternativen zu Whatsapp. Signal ist sehr rudimentär, Telegram ähnelt in seiner Aufmachung Whatsapp, hier sind auch Anrufe möglich. Der Vorteil der beiden Apps ist, dass es auch eine Desktopversion gibt, das heißt, man kann Nachrichten auch am Computer verfassen. In den Bestimmungen wird explizit darauf hingewiesen, dass keine Daten weitergegeben werden und dass es auch keine Werbung geben wird.

Eine Alternative zu Facebook gibt es bislang nicht. Google+ wird in Kürze für Privatleute auch abgedreht, weil es sich offensichtlich nicht rentierte. Ich habe meinen „alten Blog“ nun wieder aufgenommen. Back to the roots sozusagen. Weg von der Gleichförmigkeit der sozialen Medien, weg vom Datenstaubsauger Facebook zurück zu Individualität und Selbstbestimmtheit. Ja, mein Handy ist nun etwas ruhiger als früher und ich verplempere nun keine Zeit mehr um durch hunderte Statusmeldungen auf Facebook zu scrollen. Ich bekomme hald auch keine Likes und Hearzn mehr, aber das werde ich auch verkraften. Und wie ich schon meinen Freunden auf Facebook und Whatsapp schrieb, als ich mich aus den Netzwerken zurückzog: „Schreibt mir doch eine SMS – oder noch besser – ruft mich an oder – was die schönste aller Möglichkeiten ist – treffen wir uns doch wieder einmal persönlich.“ So wie es damals war, als die Handys nur schnurlose Telefone mit SMS-Funktion waren.

PS: Um mir selbst den Ausstieg zu erleichtern, weil doch ein wenig Wehmut mitschwang ob der lieben Kommentare oder lustigen Unterhaltungen, sicherte ich alle Konversationen aus Whatsapp inklusive Anhänge (im Chat auf das Foto des Kontaktes tippen > Chat exportieren) und meine komplette Historie von Facebook (in den Einstellungen zu finden).